Weihnachten wie früher
Es ist der 06. November und ja es geht mit riesigen Schritten auf Weihnachten
zu. Weihnachten habe ich aus meiner Kindheit in unbeschreiblich schöner
Erinnerung. Meine Mama hat Gänsebraten gemacht. Die ganze Wohnung roch danach.
Wir hatten immer einen echten Tannenbaum. In schlechten Zeiten, als wir kein
Geld hatten für Christbaumkugeln hingen kleine, von meiner Mama selbst
gestrickte Weihnachtsmänner im Baum. Wir warteten am Nachmittag mit dem
Fernsehen aufs Christkind. Irgendwann so gegen fünf oder sechs Uhr klingelte
dann endlich dass Glöckchen. Das hieß das Christkind war da, hatte Geschenke
gebracht und jetzt durften wir endlich ins Wohnzimmer. Wir durften immer erst
die Geschenke auspacken und mussten erst danach an den Esstisch. Es gab jedes
Jahr einen bunten Teller. Auf diesem Teller waren Leckereien aus Nougat,
Marzipan, und Baumstämme von Aldi, die vorher immer von Mama gut versteckt
wurden, damit sie uns diese am Heiligen Abend auch hinstellen konnte. Es wurden
schon Wochen vorher Kekse gebacken. Zig Dosen war voll damit und an Weihnachten
waren meistens alle aufgegessen.
Das war Weihnachten vor 25-30 Jahren. Wir wurden älter und es veränderte sich
komischerweise gar nicht wirklich viel oder doch?
Man war zum ersten mal wirklich verliebt. Aber wir beide hatten Eltern und es
gab nur zwei Möglichkeiten. Entweder man sah seine Liebe nicht oder man musste
sich gerecht aufteilen und die eine Hälfte des Abends hier und die andere dort
verbringen.
Aber wohin geht man zuerst? Das Gewissen kam zum Weihnachtsfest hinzu.
Wie stellte man es an, dass keine von beiden Familien verletzt war?
Haben wir das immer hinbekommen? Ich befürchte nicht aber wir haben es versucht.
Und dann fing es an, wem schenke ich was. Die Besorgungen die man machen musste
wurden immer mehr. Das Geld hierfür immer weniger. Geld schon wieder so was. Das
war in Kindertagen niemals ein Problem. Es wurde gebastelt und gemalt. Es wurden
Gutscheine für Frühstück am Bett u. s. w. verschenkt und damit war alles in
Ordnung.
Von weit in Ordnung sind wir heute leider weit entfernt. Inzwischen bin ich
selbst 31 Jahre alt. Unser Weihnachtsfest hat sich immer mehr zur Hetze und zum
Fest der Unzufriedenheit entwickelt. Inzwischen hetze ich nicht mehr hin und
her, weil meine Mutter leider verstorben ist und mein Bruder sein eigenes
Familienfest daraus gemacht hat (zu recht). Im letzten Jahr habe ich es sogar
geschafft, meinen Mann vor versammelter Mannschaft und vor seiner Familie
anzubrüllen. Das Essen blieb mir fast im Hals stecken, als ich mir darüber klar
wurde was hier eigentlich passiert.
Weihnachten ist nicht mehr schön. Weihnachten ist Stressprogramm pur und zwar
für alle beteiligten.
An diesem Festtag beschlossen wir, dass sich das ändern muss. Für dieses Jahr
haben wir geplant einen Tag nur für uns zu nehmen. Nur wir zwei, mein Mann und
ich. Wir werden einen Weihnachtsbaum aufsetzen und zwar am Heiligen Abend, gegen
Mittag. Den Baum holen wir erst morgens. Wie früher werden wir uns dann den
schönsten von den noch übrigen krummen aussuchen und ihn hoffentlich wunderbar
finden. Die Geschenke werden sehr klein ausfallen aufgrund von Arbeitslosigkeit,
die auch an uns nicht spurlos vorüber gegangen ist. Aber wir werden "unser"
Weihnachtsfest haben.
Vielleicht ist das eine Chance, das wunderschöne aus unserer Kindheit ein wenig
zurück zu gewinnen. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Mein größter Wunsch ist dieses
Jahr, dass wir endlich einmal wieder ein schönes Weihnachtsfest haben werden.
Ein Geschenk, das einem niemand außer man selbst schenken kann. Es wird
Gänsekeulen mit Knödeln und Rotkohl geben. Auch das ein Stückchen Erinnerung von
früher. Es ist doch ein schönes Gefühl, dass einem das althergebrachte die
meiste Freude bereiten kann, finde ich jedenfalls.
Jennifer Beckmann