Karl Müller (1870-1967)
Seine Züchtungen:
1927: 'Rosargärtner Richard Vogel'
Richard Vogel aus Frankfurt am Main war der erste Rosariumsgärtner in
Sangerhausen.
1928: 'Gruß an Naumburg'
Ihm gewidmete Rose: 'Rosen-Müller' Vogel 1940
„Gruß an
Naumburg“
Einst war es eine Institution „Rosen-Müller“ in Almrich. Wer Rosen
brauchte ging nach Almrich. Das alles hatte ein Mann aufgebaut der von Haus aus
nichts mit Rosen zu schaffen hatte. Karl Müller war gelernter Porzellanmaler.
Bei Glas-Richters bemalte er Porzellan für das Porzellanwerk Kahla. Da er bei
„Glas-Richters“ (heute Gemüsegeschäft Marienstraße – Ecke Markt) arbeitete, lag
es wohl nahe auch Glas zu bemalen, was er dann auch noch nebenbei erlernte.
In dieser Eigenschaft malte er auch Kirchenfenster, die
bis nach Afrika geliefert wurden. (Vermutlich gab es hier einen
Kooperationsvertrag mit der Firma Wilhelm Franke).
1870 in Almrich geboren, machte er erst 1901 die
Gärtnerei zu seinem Hobby und begann ganz nebenbei einen landwirtschaftlichen
Betrieb aufzubauen, aber immer mit dem Hintergedanken es als sein Hobby zu
betreiben. Mit 47 Jahren wurde er eingezogen und musste im ersten Weltkrieg an
die Front.
Als der Krieg vorbei war
hatten die Menschen andere Bedürfnisse als bemaltes
Porzellan zu kaufen. Jetzt kam die Stunde, wo er sein bisheriges Hobby zum Beruf
machte und seine Gärtnerei eröffnete.
Hier zahlte sich aus, dass er sich schon, als er noch im
Berufsleben stand, sich mit Rosen und deren Veredlung beschäftigt hatte.
Da die Rosenveredlung um die Mittagszeit am günstigsten
war, so kam es nicht selten vor, dass er in der Mittagspause
nach Almrich zu seinen Rosen gefahren ist, um diese
zu veredeln.
Karl Müller hatte sechs Kinder. 1897 wurde
Sohn Willy geboren, 1898 Tochter Anna, 1900 Tochter
Marthe, 1901 Tochter Kläre, 1904 Sohn Erich, 1913 Sohn Karl, aber der wurde
schon in zweiter Ehe geboren, nachdem die erste Frau im Jahre 1909 an
Tuberkulose gestorben war. Irgendwie haben sie alle, der eine mehr der andere
weniger, im Gärtnereibetrieb mitgearbeitet und so mitgeholfen, dass schon im
Jahre 1928
die Gärtnerei als Lehrbetrieb anerkannt wurde. Ab dieser Zeit
arbeiteten neben den Angehörigen noch mindestens ein Geselle und
zwei Lehrlinge
im Betrieb mit.
1928 widmete er der Stadt Naumburg eine Rose. Er, aus Almrich, war damit seiner
Zeit 20 Jahre voraus. Damals war Almrich noch eine eigenständige Gemeinde und
wurde erst nach dem zweiten Weltkrieg nach Naumburg eingemeindet. In einem
Bericht über die 900-Jahrfeier der Stadt ist alles festgehalten, was damals
eigentlich geschehen war. So lesen wir:
„Sonntag der 17. Juni 1928, der letzte Ausstellungstag auf der „Nauha“
(Naumburger Handwerkermesse), eine Woche der 900-Jahr-Feierlichkeiten lagen
hinter den Organisatoren. Heute nun war der Abschlusstag, an dem noch einmal
eine Reihe
von Höhepunkten zu erwarten war. Der Reigen der Veranstaltungen
begann schon vor dem Gottesdienst. „Naumburg im Wandel der Zeiten“, eine
Ausstellung im Hause Markt 12
beschäftigte sich mit den langjährigen Versuchen ein
Naumburger Stadtmuseum zu gründen. Wenn es auch nicht zur 900-Jahrfeier gelungen
war, ein Museum einzurichten, so war es wenigstens die Ausstellung dazu.
Später, zur gewohnten Kirchenstunde riefen dann die
Glocken zum Gottesdienst. In allen Kirchen wurde der 900-Jahrfeier gedacht. Eine
besondere Weihe empfing der historische Gottesdienst in St. Wenzel, dessen
liturgischer Teil durch Ortwin von Holst getreu der von Luther, Jonas und
Melanchthon bestätigten Naumburger Kirchenordnung von 1537 eingerichtet und
eingeleitet wurde.
Nach dem Gottesdienst, um 11 Uhr, hatten sich an der Bühne des
Ausstellungsgeländes zahlreiche Besucher eingefunden, die einer Rosentaufe
beiwohnen wollten.
Zur Eröffnung der Tauffeierlichkeiten spielte die Musik „Das ist der Tag des
Herrn“, worauf die Sängergruppe Naumburg „Thüringen, holdes Land“ erschallen
ließ. Von der mit Eichen
und Birkengrün umgebenen Tribüne herab sprach nun
Fräulein Reinsberger
einen sinnigen Vorspruch, der zu der Ansprache des
Rosenzüchters Müller aus Almrich überleitete. Er führte aus, dass ihm
Dankbarkeit gegenüber der Stadt veranlasst habe, die neue Rose Naumburg
darzubringen. Sie wurde „Gruß an Naumburg“ genannt.
Indem er sie der Stadt zum Schutze übergebe, wünscht er ihr zugleich weiteste
Verbreitung nicht nur in deutschen Gauen, sondern auch in fernen Ländern. Das
Schiff welches den Namen „Naumburg“ trägt, möge
sie in die Welt hinausführen zum Ruhme der Heimat. Der
Gesang „Frühling am Rhein“ schloss sich den Ausführungen
an. Rosenzüchter Müller überbrachte die herrliche neue
Rose in hoher Vase, geziert mit seidenen Bändern in den Stadtfarben, dem
Oberbürgermeister
Dietrich. Ein Kranz junger Mädchen, weiß gekleidet,
wetteiferte mit dem roten Rosenstrauß an blühender Lieblichkeit. Der
Oberbürgermeister dankte Karl Müller für den Beweis der Anhänglichkeit an die
Stadt
Naumburg. Die Rose sei das Sinnbild der Schönheit, daher wollen wir
sorgen, dass unserer Stadt ihre alte Schönheit
erhalten bleibe und neue hinzukommt, wie ja auch die
Rose sich alljährlich neu schmücke. Diese sei weiter das Sinnbild des Glückes
und der Liebe. In diesem Sinn
taufte der Oberbürgermeister
die Rose „Gruß an Naumburg“ mit Saalewein.
Obergildenmeister Körner bat,
über die Rose zu wachen, wünschte ihr guten Erfolg und
rief ein
„Treue um Treue“
aus, welchen Wünschen Obermeister Wolf
namens der Gärtnerinnung die seinigen hinzufügte.“
Doch damit nicht genug, zwei weitere Rosen erhielten noch im gleichen Jahr ihren
Namen. Da fast die gesamte Familie aktive Turner waren, lag es wohl nahe eine
Rose auf den Namen „Turnvater Jahn“ zu taufen. Der Name der dritten Rose war
eine Verbeugung vor dem Mitbegründer des heute weltberühmten Rosariums in
Sangerhausen, Vogel. So erhielt diese Rose den Namen: „Rosar-Gärtner Vogel“.
Durch die Anerkennung dieser Züchtungen stieg sein
Ansehen beachtlich. Dresden, Coburg, Weimar, Erfurt waren die Orte an denen er
sich an großen Ausstellungen beteiligte. In Dresden lernte er den weit über die
Grenzen Deutschlands hinaus bekannten
Rosenzüchter Wilhelm Kortes, von der größten Rosenschule
Europas in Elmshorn, kennen. (Rosenversandhandel Kortes ist in Fachkreisen ein
Begriff und versorgt die Gartenfreunde noch heute mit Rosen.) Von da an verband
sie eine Freundschaft, die bis an ihr Lebensende anhielt.
Die Verbindungen
„Rosenmüllers“ reichten bis nach Frankreich, die Schweiz
und die Niederlande. 1932 verpachtete Karl Müller seinen Betrieb an seinen Sohn
Erich, der von da an den Betrieb weiterführte. Jetzt konnte er sich schon eher
seinen musischen Begabungen
zuwenden. So widmete er sich wieder verstärkt seiner
Malerei, auch entstand
so manches Gedicht in dieser Zeit, mit denen er seine
Umwelt erfreute. Daneben hatte es ihm aber auch das Laienspiel angetan. Auf
alten Bilder sehen wir ihn in den verschiedensten Rollen. Seine dichterische
Begabung spiegelte sich auch im Firmenschild wieder.
Vom Giebel des Hauses grüßte das Schild: „Hier blühen
die Rosen Tausendweise, weshalb ich Rosen-Müller heiße“.
Karl Müller hatte sich keineswegs zur Ruhe gesetzt.
Seine Haupttätigkeit gehörte noch immer den Rosen und deren Veredlung, wo er
seinen Töchtern Marthe und Kläre, sie arbeiteten
ebenfalls im Betrieb mit, oftmals zur Hand ging. Doch der „Maler“
Rosenmüller baute seine Staffelei nicht etwa in der
Wohnung, sondern im Gewächshaus auf.
Hauptmotiv, wie könnte es anders sein, waren die Rosen.
Doch seine Heimatverbundenheit ließen ihn die Motive auch hier suchen. Die
„Burgen“ hatten es ihm
schon immer angetan. Nicht nur gemalt hat er sie,
sondern „en miniature“
standen sie auch in seinem Vorgarten. Für uns als Kinder
waren sie immer ein Anziehungspunkt, wenn wir uns bei einem Spaziergang in die
„Ecke“ zu Rosenmüller verlaufen hatten.
Eine Schwierigkeit bereitete eben diese „Ecke“, so weit
weg von der Hauptstraße. 1936 startete Rosenmüller eine Rosenausstellung im
großen Saale der Gaststätte „Zur
Linde“ in Almrich, welche ein voller Erfolg wurde.
In dieser Zeit etwa hatte sich „Rosenmüller“ einen
kleinen Pavillon an der Hauptstraße zugelegt, der das Geschäft wesentlich belebt
hat. Noch heute stehen die Überreste dieses Gebäudes
an der Weggabelung von der Hauptstraße zum Bismarckturm.
Hier war das Reich von Tochter Kläre, die neben Rosen auch Gemüse und
andere Erzeugnisse des Gärtnereibetriebes verkauft hat.
Selbstverständlich wuchsen im Garten von Rosen-Müller auch andere Blumen, doch
die Rosen bildeten stets den Mittelpunkt. Im zweiten Weltkrieg
wurde Sohn Erich, welcher den Betrieb leitete, in den
Krieg eingezogen. Jetzt musste
Sohn Willy die Leitung des Betriebes übernehmen. Dieser
hatte bei Aushilfsarbeiten, welche er in der Jahreszeit übernommen hat, als im
Garten kaum Arbeiten angefallen sind,
durch
einen
„Starkstromunfall“
beide Hände verloren und konnte nicht eingezogen werden.
Seinem Geschick war es zu verdanken, dass der Betrieb
über die Kriegs- und Nachkriegszeit hinübergerettet
werden konnte. Neben den Rosen hatte der Betrieb auch
zur Versorgung der Bevölkerung mit Gemüse beizutragen. So wuchsen zwischen den
Reihen der Rosen, Gemüse, welches dann über bestimmte Abschnitte der Punktkarte,
eine Unterart der Lebensmittelkarte,
an die Bevölkerung verkauft wurde.
Nach wie vor aber blieben die Rosen
im Mittelpunkt des Betriebes. Die Unterlagen zur
Veredlung seiner Rosen bezog
Müller vor dem Kriege über den Fachhandel.
Nach dem Kriege
war dieser Bezug nicht mehr möglich. So besorgte sich
Rosen-Müller seine Unterlagen am Napoleonstein, aus Wildlingen, die dann
veredelt wurden.
Als Sohn Erich nach dem Kriege zurück kam, übernahm er wieder den Betrieb. Als
von der DDR anerkannter Rosenzüchter, lieferte er jährlich etwa 4000 Stammrosen
in alle Teile der DDR
und der damaligen CSSR. Als 1957 die Aktion „Rosen für
Lidice“ gestartet wurde, jenes Dorf in der CSSR welches 1942 von den Deutschen
dem Erdboden gleich gemacht wurde, beteiligte sich neben dem Gut „Haus
Berglinden“, „Burghardt“
auch „Rosen-Müller“ an dieser Aktion. Sie stifteten
einen beträchtlichen Teil der Rosen für den Rosengarten von Lidice.
Sylvester 1947 starb die zweite Frau von „Rosen-Müller“. Fortan lebte er in der
Familie seines Sohnes Karl, dem jüngsten Sohn, aus zweiter Ehe, in dessen Haus
in der Bachstraße. Hier beschäftigte ihn vorwiegend die Schriftstellerei. Da
waren Artikel für Fachzeitschriften und Heimatblätter, die immer gefragt waren.
Daneben gab es aber andere kleine Episoden und Kurzgeschichten.
Am 10. Mai 1968 stirbt Karl Müller im gesegneten Alter von 98 Jahren. Sein Sohn
Erich führte den Betrieb weiter, doch als auch er nicht mehr kann, kommt der
Betrieb langsam zu erliegen. Die Enkelkinder hatten andere Interessen. Heute ist
das Grundstück verkauft. Außer ein Paar restlichen Rosenstöcken kündet nichts
mehr
davon.
In der Stadt Naumburg ist „Rosen-Müller“ zwar noch ein Begriff, die Rosen
„Gruß an Naumburg“ und
„Turnvater
Jahn“
aber kennt niemand mehr.
Im Rosarium in Sangerhausen haben wir beide Rosen gefunden. Nach einer
Rücksprache mit Andreas Rüb, dem Leiter des Gartenbauamtes, hat dieser mit dem
Rosarium in Sangerhausen Verbindung aufgenommen. Das Rosarium hat zugesagt im
nächsten Jahr (für dieses Jahr ist es zu spät) von jeder Rose mehrere Absenker
herzustellen, so dass diese im übernächsten Jahr in Naumburg ausgepflanzt werden
können. Dazu soll ein Beet im Rosengarten hergerichtet werden auf dem neben den
Rosen auch eine Tafel mit der Legende dazu Auskunft
geben wird. Damit sollen
beide Rosen
wieder in Naumburg heimisch gemacht werden.
Das Grab von Rosen-Müller finden wir auf dem Friedhof in
Almrich, malerisch gelegen unter einer Trauerweide,
rechts neben der kleinen
Friedhofskapelle. Die Namenstafeln auf dem Kreuz hat er
auf Porzellan selbst gemalt. Nur sein Sterbedatum
wurde von fremder Hand hinzugefügt.
Eberhard Kaufmann
Das Haus Rosenmüller heute.
NTB 27.03.2004
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