Die „Krumme Hufe“ einst und heute !
Eine Geschichte vom ehemaligen Direktor Willi Schwalbe der Almricher Schule


Um das Jahr 1900 herum, als wir als Schuljungens erstmalig die Gegend der Krummen Hufe kennenlernten, waren die beiderseitigen Ufer dieses alten Saalearmes noch mit einem dichten Schilfgürtel umgeben, so dass man unmittelbar an den Ufern nur wenig Einblick auf die Wasserfläche hatte. Die damalige Kadettenanstalt hatte eine schöne, hohe Holzbrücke über diesen Saalearm bauen lassen, von der aus man einen guten Überblick über den Größten Teil des Gewässers hatte.

Damals war es noch unmöglich, trockenen Fußes an irgendeiner Stelle über die alte Saale zu gelangen, zumal in Verlängerung des heute noch vorhandenen Teils der alten Saale sich der Arm bis unmittelbar an das jetzt noch dort befindliche Bahnwärterhäuschen in großem Bogen Westnordwerts hinzog.

Hatte man die Holzbrücke hinter sich, so gelangte man auf einen schmalen Pfad, der beiderseits von Wiesen umgeben war; es bot immer einen besonderen Genuss, diese gepflegten Wiesen im Frühsommer zu sehen, wenn sie kurz vor dem ersten Schnitt voller üppiger Gräser und Kräuter standen, über und über mit Blumen aller Art durchsetzt, insbesondere mit Margeriten und Storchschnabel.

Auf diesen Wiesen standen starke, hohe Buchen, Eichen und einige andere Baumarten, so dass man weder das Gefühl hatte, sich auf einer Wiese zu befinden, noch etwa im Walde zu sein !
Vom zeitigen Frühjahr an waren wir Jungens ständige Besucher dieser Gegend, immer wieder zog es uns dorthin, da es stets etwas in der Natur zu beobachten gab. Den ersten Kuckuck vernahmen wir dort unten, wie wir auch zum ersten mal in unseren Leben hier den Pirol flöten hörten; des Grünspechts gellender Ruf war dort eben so häufig zu vernehmen, wie das Rucksen des Ringeltaubers. Fasane und Rebhühner purrten des öfteren unweit des Weges plötzlich davon, uns jedes Mal von neuem Schrecken einjagend wegen der Plötzlichkeit des unerwarteten Abstreichens; selbst Meister Lampe war ein oft gesehener Besucher der Gegend.

Am meisten zog es uns aber auf die Brücke, auf welcher wir mitunter stundenlang hockten und die Tierwelt unter und um uns herum beobachteten. Wenn die Sonne hoch oben über uns stand und das grünliche Wasser der alten Saale bis auf den modrigen Grund durchleuchtete, dann konnte man Fische aller Größen bemerken, von denen uns aber die Hechte am meisten interessierten. in einiger Entfernung von der Brücke regte ein niedriger Holzpfahl aus dem Wasser; hier ließ sich mit Vorliebe ein Eisvogel nieder, der uns in seiner schillernden Farbenpracht immer besondere Freude bereitete. Zahlreich waren die Wasserhühner, welche sich in der Regel durch unsere Anwesenheit nicht im geringsten stören ließen. Selbst Wildenten nisteten in dem unzugänglichen und undurchdringlichen Schilfstreifen und es war ein besonders reizvolles Bild, wenn die Entenmutter mit ihren Kleinen Ausflüge auf dem Saalearm unternahm.

Rohrdrommel und Rohrspatz ließen ebenfalls häufig ihre Stimmen ertönen und war gerade diesem Teil der Krummen Hufe immer regestes Tierleben, ganz abgesehen von dem vielstimmigen Konzert der vielen Frösche, welche sich hier besonders wohl zu fühlen schienen.

Etliche Jahre später wurde dort eine Gondelstation errichtet, welche zwar nur ein kurzfristiges Leben führen sollte, jedoch wesentlich dazu beitrug, dass der größte Teil der Wasservögel abwanderte, um nie wieder zurückzukehren. Späterhin, als die Brücke anfing, in einzelnen Teilen morsch zu werden, wurde sie abgebrochen; große Abflussrohre entwässerten nach und nach den westlichen Teil des Saalearms, so dass an Stelle der Brücke, dort, wo heute noch ein Übergang sich befindet, ein etwas erhöhter Behelfssteg gebaut wurde. Nun hätte uns Jungens auch die alte Brücke nichts mehr genutzt, da es kaum noch etwas zu beobachten gab! Als dann einige Jahre später auch noch all die prächtigen Bäume der Axt zum Opfer fielen, aus den ehemals saftigen Wiesen Ackerland wurde, war es endgültig mit all der Herrlichkeit vorbei. Verschwunden waren Pirol und Holztaube, Kuckuck und Grünspecht, der schmucke Eisvogel mied genau so die Ungastlichkeit gewordene Gegend, wie Wasserhuhn und Wildente; Rohrdrommel und Rohrspatz geben ihrem Unmut an anderen Stellen unseres Vaterlandes Ausdruck – geblieben sind nur; die Fische und die quakenden Frösche!