„Das liebe
Almrich an der Thüringer Pforte ist eine wunderschöne Sommerfrische“, empfiehlt
ein Werbeprospekt aus den 20er Jahren und offeriert euphorisch „saftstrozende
Auen am Silberband der lieblichen Saale, der Buchenwälder mächtig wölbende Dome,
sonnendurchglühte Kalkfelsen über verheißungsvollem Rebenbehang
obstbaumbestandene Triften.“ Sieben Gaststätten boten „herrliche Fern – und
Talblicke“ und natürlich auch „gutgepflegte Biere und Weine“: Der Bismarckturm,
das Hotel und Restaurant „Goldener Adler“ , der historische Gasthof „Zum Bär“,
das Gasthaus „Zur Linde“, „Zum Fischhaus“ , der „Göttersitz“ und der „Krug zum
grünen Kranze“.
Dieser gehörte zu den beliebtesten Ausflugslokalen in den
Almricher Weinbergen. Der Krug lag an dem Saale – Weinbergs - Wanderweg mit den
Ausflugslokalen Göttersitz in Richtung Bad Kösen , dem Weingut Steinmeister, „Sültzners
Weinberg“ und dem „Steinkauz“ in Richtung Rossbach. Gaststätten die unsere
Großeltern schätzten, heute aber kaum noch einer kennt. Auch der „Krug“ Liegt
jetzt , wenige Meter von der Landstrasse nach Obermöllern entfernt, in einer
versunkenen Welt. Fensterscheiben sind zerbrochen, die Tür ist mit Brettern
vernagelt, der Putz bröckelt, Verfall greift um sich, Gestrüpp wuchert auf
Treppen und Wegen. Kastanien fallen im Herbstwind in den Garten. Einst saß man
hier unter den Schattenspendenden Bäumen an einfachen Gartentischen und auf
Stühlen, wie sie mit unter heute wieder nostalgisch in Mode kommen.“Herrlicher
Gartenaufenthalt am Fuße der Weinberge“ versprach den auch Otto Löser neben
einer „angenehmen Familienpension in ruhiger Lage, eigener Konditorei“ und der
Spezialität „Schoppen und Obstweine“. Löser hatte das ländliche Ausflugslokal im
vorigen Jahrhundert eröffnet. Eine im Besitz seiner Enkelin, Bärbel Kretzscher,
befindliche Fotografie aus den Anfängen dieses Jahrhunderts zeigt den Gastwirt
„Tageblatt“ lesend mit seiner Frau Ida Anna, geborene Wollweber am Tisch in der
Gaststube. Löser trägt mit Hausmantel und dunkler Filzkappe einen für diese Zeit
um 1918, als die Fotografie entstand, schon anachronistischen Habitus.
Biedermeierlich der Mann, wie auch der gewaltige, reich dekorierte gusseiserne
Röhrenofen, der der Mitte des 19, Jahrhunderts zuzuordnen ist. Zum Wirt, dem man
ansieht, dass er oft auf seinem Sofa – Platz in der Gaststube sitzt,
kontrastiert die Tracht der Hausfrau. Ida Anna sieht man die schwere Hausarbeit
an. Ausschließlich für die Aufnahme hat sie sich auf dem Platz am Ofen gesetzt.
Die Kittelschürze zeigt Spuren vorangegangener Tätigkeiten. Man ahnt: Gleich
wird sie wieder in die Küche gehen. Viel gibt es in einer Gastwirtschaft zu tun,
und auch die Sorge um die Kinder war Hauptaufgabe der Hausfrau.Ein Blick auf das
weitere Interieur der Gaststube zeigt eine mit einem Bommeldeckchen abgedämpfte
Schirmlampe, Wachstuchdecken liegen auf den Tischen. An der Wand hängt ein
Werbeplakat, das für „Original Kristall – Citronensprudel“ wirbt, die Gestaltung
ist vom Jugendstill geprägt. Für ein 100jähriges Likör – Produkt wird am
Kalender geworben, der das Tageblatt mit einer „21“ zeigt. Halbverdeckt vom
Lampenschirm ein heute interessantes Werbeschild, Offeriert wird „Heines
Bockwurst“ um 1918 bereits in Dosen und ein Markenartikel ersten Ranges. Es
handelt sich nämlich um die auch heute noch beliebten Halberstädter
Bockwürstchen.
Der „Krug zum grünen Kranze“ ist vermutlich ab Mitte des
vorigen Jahrhunderts entstanden, woran auch der damals sehr beliebte
Gaststättenname erinnert. Der Städter strebte nach Natur pur; Luft und Sonne,
„Sommerfrische“ war mehr als nur ein Schlagwort, mit Ausflugslokalen, die oft
einer Landwirtschaft zugeordnet waren trug das Umland dem Rechnung. Der „Krug
zum grünen Kranze“ war ein Lokal, dessen größter und schönster „Saal“ der Garten
war. Dort traf man sich an Sonn- und Feiertagen in Familie, belegte Brote
konnten mitgebracht werden, Bier gab es aus der einheimischen Brauerei Berthold
und Hartung, beliebt war das preiswerte braune Schankbier. Auswärtige Gäste
schätzten die Saale – Weine von den Almricher Bergen, es wurde aber auch ein
ganz hervorragender Obstwein angeboten. Wilhelm Löser richtete sich bald eine
kleine eigene Konditorei im Haus ein. Sprichwörtlich waren die hausgebackenen
Kirsch – und Pflaumenkuchen. Im Haus konnte man auch übernachten. Der „Krug“
empfahl sich als „angenehme Familienpension in ruhiger Lage“. Von den
Gaststätten im Umkreis überdauerte der „Krug zum grünen Kranze“ am längsten die
Zeiten. Nach Otto Löser übernahm sein Sohn Willy die Wirtschaft.
1955 wurde der Betrieb eingestellt, die veränderte
wirtschaftliche Situation im östlichen Nachkriegsdeutschland beschleunigte den
Niedergang privater Ausflugsgaststätten. Sommergäste wurden noch einige Zeit
lang aufgenommen, dann ging das das Lokal in den Besitz eines Betriebes über,
der ein Kinderferienlager errichtete.
Nicht erst seit der Wende steht das Anwesen leer und
verfällt allmählich, seine Zukunft steht in den Sternen.
Da wo die Geschichte von
Herrn Speck aufhört möchte ich gern ansetzen und das Kapitel
“ Krug zum grünen Kranze „ abschließen.
Was wurde aus dem Krug nach 1955 ?
Was wurde aus dem Krug nach der Wende ?
Was ist heute ?
Was bringt die Zukunft für den Krug ?
Weil mich die
Geschichte um den einstmals schönen „Krug zum grünen Kranze“ interessiert, begab
ich mich auf die Suche nach Zeitzeugen der Geschichte um den Krug. Die Enkelin
vom ehemaligen Besitzer Otto Löser, wohnt heute in Thüringen. Auch sie ist über
den heutigen Zustand nicht sehr erfreut.
Ende der 50er Jahre gehörte der Krug dem Kraftwerk Vetschau, dieser Betrieb
errichtet dort ein Kinderferienlager. Nach einiger Zeit ging der Besitz an das
Trocknungswerk Pforta über.
Im Krug waren dann nur noch Wohnungen vermietet. In der ersten Etage wohnte von
1964 – 1980 die Familie Niersch, diese zogen dann 1980 nach Rossbach.
Im Erdgeschoss wohnte die Familie Lobe. Nach den Auszug der Familie Niersch, zog
die Familie Lobe in die 1. Etage, sie wohnten dann insgesamt 23 Jahre im Krug.
Ab 1980 betrieb die Familie Lobe im Erdgeschoss einen Konsum mit Waren des
täglichen Bedarfes außer Fleisch. Mitte der 80er Jahre ging der Besitz von
Pforta an die KWV Naumburg über. Nach der Wende, Anfang 1990 wurde der Konsum
geschlossen. Die Familie Lobe zog in die Weinberge. Auf der Suche nach dem
jetzigen Besitzer, bekam ich von einem Anwohner der auch in den Weinbergen wohnt
die Aussage, das ein Bekannter vom damaligen OB von Naumburg auf anraten vom
selben den Krug gekauft hat. Dieser Besitzer soll in der Nähe von Heidelberg
wohnen. Der Krug soll damals als Spekulationsobjekt gekauft worden sein. Es
wurde damals spekuliert das die Umgehungsstrasse für Bad Kösen über die
Weinberge gehen solle. Man hatte vor, wenn es soweit gekommen wäre, auf dem
Grundstück des Kruges eine Tankstelle zu bauen. Was aber zum Glück nicht
eintrat, es wäre eine Schande für die schöne Natur und die Weinberge gewesen.
Der Anwohner wollte es damals von dem Besitzer abkaufen, er verlangte 175.000
DM, was viel zu hoch war. Auf meiner weiteren Suche nach dem Besitzer, bekam ich
dann von einen weiteren Anwohner den Namen und die Adresse nebst Telefonnummer.
Der Besitzer wohnt jetzt in Forchtenberg. Ich habe ihn angerufen und gefragt ob
sich das Grundstück noch in seinem Besitz befindet, was er bejahte. Ich sagte
ihn das ich eine Geschichte über den Krug schreibe, und fragte ihn was er mit
dem Krug vorhat. Das Gebäude ist ja nun durch den Zerfall nicht mehr zu
gebrauchen und man müsste es wegreißen. Er sagte mir, er wolle es eigentlich
verkaufen, er selber könne es nicht herrichten, wegen der Gesundheit und aus
familiären Gründen. Einen Verkaufspreis wollte er mir nicht nennen.
Not macht erfinderisch, also wurde ein vermeintlicher Käufer erneut auf den
Besitzer angesetzt.
Das Gespräch verlief ruhig und sachlich. Der Besitzer gab einen Verkaufspreis
von 75€ pro m² an. Das Grundstück beläuft sich auf 1600 m², wobei dann 120.000€
zu Buche stehen würden.
Der Besitzer hat wahrscheinlich jeglichen Bezug zur Realität verloren. Für
diesen Preis wird das Grundstück wahrscheinlich nie verkauft werden und es wird
immer ein Schandfleck in unseren schönen Weinbergen bleiben.
Auf meiner Recherche um die Geschichte des „Krug zum grünen Kranze“ habe ich mit
vielen Anwohner und ehemaligen Bewohner des Kruges gesprochen. All diese Leute
gaben mir ihr Unverständnis über die heutigen Verhältnisse und den Zustand des
Kruges zu verstehen.
Uwe
Wenzel
Der Krug im Januar 2009
NTB 12.09.2009