Erinnerungen ehemalige Naumburger Wasserwirtschaftler die im Oktober 1989 in Leipzig dabei waren!


Heimlich wurden die geplanten Fahrten nach Leipzig von gleich gesinnten Regimegegnern per Mundpropaganda vorbereitet. Die Organisatoren  wussten, wer vertrauenswürdig war und bei wem man vorsichtig sein musste. Sicher war man sich nie ganz. Waren wir uns doch durchaus auch nicht sicher, ob die große Wende und der totale Zusammenbruch kommen würden. Einige Gleichgesinnte von Uns, ahnten was die Fluchtwelle für Auswirkungen haben würde und schrieben Transparente,  riefen auf, bei den kommenden Wahlen die PDS nicht zu wählen. Die Jugend wurde gebeten, die DDR und Ihre Eltern nicht zu verlassen um damit ein Ausbluten der DDR zu verhindern. Nie wieder STASI und Sippenhaft stand auf einem Transparent 2x1m groß, es wurde bis heute gerettet und ist auch noch vorhanden.  An einem regnerischen Montagabend, Ende Oktober, fuhren wir, 6 Kollegen der Abt. Technik in 2 privaten Fahrzeugen auf Umwegen nach Leipzig. Je näher wir Leipzig kamen, umso unruhiger und öfter schauten wir in die Dunkelheit und suchten verdächtige Gestalten. Wann werden wir angehalten und einkassiert? Hat uns jemand verpfiffen? Die letzten 500 Meter liefen wir zu Fuß bis zum Friedrich Engels Platz, auf dem schon Tausende Menschen versammelt waren. Von einem Podest wurden die neuesten Nachrichten aus Berlin verkündet. Dann ging der Marsch los auf den Ring, am Bahnhof vorbei. Zu diesem Zeitpunkt waren keine Vertreter staatlicher Organe zu sehen. Aber neben uns, wir trauten unseren Augen nicht, liefen Schulter an Schulter zwei russische Offiziere mit einem Kind auf der Schulter. An der Brust trugen Sie ein weißes Abzeichen von ca. 5cm Durchmesser mit der Aufschrift GORBI und demonstrierten mit uns für Perestroika und Glasnost. Freundlich winkten wir uns zu und machten uns gegenseitig Mut. Denn zu diesem Zeitpunkt waren wir uns durchaus noch nicht sicher, wie es ausgehen würde, ob die Macht der STASI tatsächlich zu Ende war? Als wir in die Nähe der STASI-Zentrale kamen, riefen Ordner der Demo zu Ruhe und Besonnenheit auf. Keine Übergriffe oder Provokationen, nur friedlich vorbeimarschieren hieß es. Dann wurden brennende Kerzen auf die Mauer gestellt und weiter ging der Marsch. Viermal waren wir Naumburger  dabei. Dann begannen auch in Naumburg die Montagsdemos. Und wieder beobachteten wir die bekannten oder vermuteten IM bei Ihrer Arbeit, wie sie emsig die eigenen Kollegen photographierten. Wie damals am Dom, als Franz Josef Strauß Naumburg besuchte. Heute nach 20 Jahren ist vieles verblasst und einiges wird von Menschen, die gar nicht dabei waren, verfälscht wiedergegeben. Auch ich betrachte diese Ereignisse, aber vor allem, was daraus gemacht wurde, mit kritischen Augen. Ich als alter Mann bin froh, dass es so gekommen ist, bin aber mit vielem nicht einverstanden und bedaure die junge Generation, die perspektivlos einer gnadenlosen, nur am Profit orientierten Marktwirtschaft ausgeliefert ist. Wo ist die uneigennützige Hilfsbereitschaft der DDR-Zeit geblieben? Stattdessen verkommt der Staat zur modernen Sklavenhaltergesellschaft. Dass es so kommt, haben die Leipziger Demonstranten garantiert nicht gewollt. Die junge Generation hat noch sehr viel Arbeit mit der so genannten Demokratie. Es ist nicht nur Party angesagt, ein klein wenig mehr Klassenkampf von der Jugend dürfte es in der Demokratie schon sein.
Aber das ist schwer, denn wie sagte doch Winston Churchill: „Die Demokratie ist die schlechteste Regierungsform, außer all den anderen Formen die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind. Alle sind gescheitert. Kurz gesagt: „Es gibt keine Bessere.“Wem es trotzdem in Deutschland nicht gefällt und meint wo anders ginge es Ihm besser, der soll sich ein Land seiner Wahl aussuchen und auswandern.
      




Der Artikel wurde nach einem Treffen der Teilnehmer korrigiert und ergänzt. 30.10.2009   H.R.