Timo Goldmann
Niederolm
03.10.2009
Alles begann im Frühjahr 89 als ich von Naumburg nach Berlin
gezogen bin und bei der U- Bahn als Signaltechniker gearbeitet habe.
Die Idee zur Flucht oder auch einen Antrag auf Ausreise aus der DDR hatte ich
schon früher aber jetzt war ich ja ganz nah an der Freiheit.
Ich beschloss erst mal die Gegebenheiten zu beobachten da ich auch noch direkt
an der Mauer gewohnt habe. Dies fiel aber schnell auf und ich erfuhr von meiner
damaligen Freundin dass ich unter Beobachtung stand.
Nun entschloss ich mich das Land über Umwege zu verlassen, nämlich über das
Ausland.
Im Juni fuhr ich daher mit Jugendtourist (DDR Reisegesellschaft für Jugendliche)
nach Bratislava das ja direkt an der Grenze zu Österreich liegt um zu schauen ob
es möglich ist von dort zu fliehen.
Aber die Grenzanlagen waren ebenso gesichert wie die bei uns.
Nun ergab sich eine erneute Gelegenheit für mich nämlich ein Flug nach Budapest,
da mein Kumpel in Ungarn Verwandtschaft hatte.
Wir stellten also bei der Volkspolizei ein Visumsantrag für die Volksrepublik
Ungarn mit der Begründung dort unsere Verwandtschaft zu Besuchen. Zu meiner
Überraschung bekamen wir unser Visum auch kurze Zeit später.
Die Lage in der DDR hatte sich in der Zwischenzeit sehr geändert es war nun
durch die Botschaftsflüchtlinge kaum noch möglich ins Ausland zu reisen. Aber
wir hatten ja zum Glück unser Visum und den Flug auch schon gebucht. Nun konnte
es also los gehen, aber erst kamen noch meine Eltern nach Berlin um mich zu
Besuchen und heimlich meine Sachen abzuholen. Als ich dann am nächsten Tag auf
dem Flughafen stand war mir natürlich nicht mehr so einerlei, es konnte ja sein
das ich meine Eltern und meine Freunde für lange Zeit nicht mehr wiedersehen
werde. Aber mein Entschluss stand fest ab in die Freiheit.
Als wir in Budapest ankamen waren viele DDR Bürger in die Botschaft geflüchtet
und warteten auf Ihre Abschiebung in den Westen. Das wollte ich aber nicht, ich
wollte gleich weg, also einen Taxifahrer haben wir unser ganzes Geld gegeben
(500 Ostmark in Forint) er sollte uns rüber nach Österreich bringen, damals war
gerade in Sopron der Europatag, und die Grenze wurde für einen Tag geöffnet.
Wir fuhren also dorthin. Nun sagte der Taxifahrer zu uns ich kann euch auch
direkt nach Österreich bringen ich kenne einen Offizier bei der Grenzkontrolle,
also noch besser wir fuhren direkt zur Österreichischen Grenze es klappte auch
alles so wie er gesagt hatte.
Als wir uns in Österreich bei der Polizei gemeldet hatten fuhren die uns in ein
Flüchtlingslager in der nähe der Grenze. Wir blieben 2 Tage dort dann startete
ein Bus in Richtung Passau. Als wir in der BRD waren wurden wir in ein anderes
Lager nach Deggendorf gebracht dort wurden wir mehrere Tage vom
Verfassungsschutz verhört und der ganze Bürokratische Mist wurde erledigt. In
dem Lager in Deggendorf war es nicht sehr angenehm. Wir waren in einer Turnhalle
in einer Kaserne untergebracht. Es waren bestimmt über 150 Personen in der Halle
dadurch das auch viele Kleinkinder da waren war an Schlaf nicht zu denken ich
war froh als ich da weg war.
Wir wollten ja dann nach Westberlin aber das war wegen der vielen Flüchtlinge
die schon dort waren nicht möglich. Aber mein Kumpel hatte auch in Rüsselsheim
Verwandtschaft also ab ins nächste Auffanglager nach Giessen.
In Giessen war es schon besser wir waren in einen richtigen Lager das auch heute
noch für Flüchtlinge aus aller Welt offen ist, dort waren wir in einen
Vierbettzimmer untergebracht.
Naja ich bin jedenfalls froh dass ich nur kurze Zeit in Lagern verbracht habe.
Nach 2 oder 3 Tagen wurden wir dann von der Verwandtschaft abgeholt und wir
durften erstmal bei der Familie wohnen. Doch dann auf einmal einige Zeit später
fiel plötzlich von heute auf morgen die Mauer.
Alle waren glücklich zumindest damals und ich konnte meine Familie und Freunde
wiedersehen und Besuchen.
Ja so schnell kann sich die Geschichte ändern.
Wenn nicht so viele Leute damals auf die Straßen gegangen wären, glaub ich wäre
das wahrscheinlich nicht so gekommen.
Zum Glück ist alles friedlich geblieben.
Heute wohne ich nun schon 20 Jahre im westlichen Teil von Deutschland und habe
eine kleine Familie, bereut habe ich es nicht, ich würde es wieder tun.
So das war meine Fluchtgeschichte
Liebe Grüsse Timo