Als wir die Heimat verließen.      Rolf Elste

Erster Teil

Im Jahre 1954 hatten zwei Freunde die Absicht einen Besuch bei Verwandten in der Bundesrepublik zu machen. Damals konnte man nach Abgabe des Personalausweises mit einen provisorischen Ausweis die DDR verlassen. Als der Zeitpunkt immer näher rückte
  wurde mein Freund krank, und wollte so nicht mit fahren. So begab ich mich gut mit Geschenken ausgestattet auf die Reise nach Bonn- Beuel im Rheinland.
Dort hatte eine Cousine mit Ihrer Familie ein Haus, und dort konnte ich vorerst bleiben. Der Mann meiner Cousine meinte dann , Du kannst doch hier bleiben, denn Arbeit gab es genug. Ich bekam tatsächlich schnell eine Stelle  als Installateur bei einer kleineren Firma. Dort kam ich in fast alle Bundesministerien zum Arbeiten im Neubau, und Reparaturbereich. Es war für mich schon verwunderlich, dass ich anstandslos überall hinein kam. Wäre heute nicht denkbar bei den Sicherheitsvorkehrungen die jetzt angewandt werden. Bundeshaus , Bundespresseamt, Auswärtiges Amt, Atomministerium damaliger Minister Franz- Josef Strauss. Bundespräsidialamt wo ich den damaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss ganz nahe kam. Nach einen Jahr konnte ich zu einer großen Firma wechseln bei der ich vorwiegend im Wohnungsbau im Heizungsfach arbeitete. Der Stundenlohn betrug 1,77 DM.  Später kam ich schon auf 2,30 DM. Das war für diese Zeit schon ein guter Lohn. In dieser Zeit habe ich mir das Rheinland, die Mosel, und das Ahrgebiet bei Wochenendfahrten angeschaut. Sogar den Karneval in Köln konnte ich mit machen. Im Jahre 1956 musste ich aus familiären Gründen wieder nach Hause zurück kehren. Welch ein Glück. Es war für mich eine lehrreiche Zeit, die für mein weiteres Leben sehr wichtig war.

Zweiter Teil

In dieser Zeit im Herbst 1956 konnte ich wieder , wenn auch mit Hindernissen, meine heutige Frau Brigitte kennenlernen. Es folgte nun im Jahre 1957
  Verlobung, und im Oktober- Dezember die Hochzeit. Ich war wieder im Geschäft meines Vater als Installateur tätig. Nun fing die Suche nach einer Wohnung an. Alle 14 Tage in die Wohnungskommission ins Schwarze Ross in Naumburg . Wir hatten im Haus auf dem Flemminger Weg wo der Schwiegervater eine Bäckerei gepachtet hatte durch Zufall ein kleines Zimmer, und ein Schlafzimmer bekommen. Küche gab es nicht, nur ein Klo mit Waschbecken welches ich erst selbst installiert hatte war alles. Da sich bald Nachwuchs angemeldet hatte war es für uns wichtig eine größere Wohnung zu bekommen. Da fingen die Probleme erst richtig an. Obwohl ich auf Grund meiner Tätigkeit viel von leeren Wohnungen wusste, denn da fing die Zeit der Republikflucht an, konnte, oder wollte man uns keine Wohnung zu weisen. Ich hatte dann immer gehört, dass in die von mir vorgebrachten Wohnungen Kinder von Bonzen eingezogen sind. Es gab da eine Dringlichkeitsliste auf der wir ganz vorne standen, aber genützt hat es gar nicht. Als in Naumburg hinter der Wenzelkirche Arbeiterwohnungen gebaut wurden haben wir uns dafür angemeldet. Da wir eine Dreizimmerwohnung haben wollten wurde uns das verwehrt, weil wir ja nur ein Kind hatten. Das war typisch engstirnisches Denken.  So ging das bis in das Jahr 1961. Bis eines Tages mein Schwiegervater zu uns sagte „ Also an Eure Stelle wäre ich schon lange nicht mehr hier „ , das war die Initialzündung für unsere Flucht . Es musste ja alles in höchster Heimlichkeit geschehen, denn das was wir vor hatten war ja strafbar. Nun wurden die Sachen verteilt , damit man uns die evtl. noch nachschicken konnte. Vor allem mein Vater durfte nichts erfahren. Am 31. Juli bin ich noch mit dem Schwiegervater zum Kegeln nach Großjena zu Tschessnies gefahren, und dann am 1.August war unser erster Urlaubstag, und damit Abreisetag. Ursprünglich wollten wir direkt nach Berlin unsere Fahrkarten lösen, aber am Fahrkartenschalter stand ein Vopo, und belauschte die Leute beim Lösen der Fahrkarten. Auf dem Weg zum Schalter raunte ich meiner Frau zu, wir fahren nach Rügen. So haben wir auf diese Art ein bisschen die Bewacher ausgetrickst.  In Weißenfels mussten wir umsteigen, und auf dem Bahnsteig sah mich ein Kunde aus Flemmigen, und der blärrte uns zu „ Ihr wollt wohl Abhauen.“ Also da war mir aber ganz anders. Ab Weißenfels saßen wir gleich im ersten Wagen, und bekamen einen Platz im Mutter Kind Abteil. Kurioserweise war davor noch das Abteil mit den Kontrolleuren die uns gute Fahrt in den Urlaub wünschten. Die Fahrt ging dann bis zum Bahnhof Friedrichstrasse, und von da aus  mit der S-Bahn nach West- Berlin. Gleich nach der ersten Station die Bellevue hieß sind wir raus ,und dann mit dem Bus nach Marienfelde gefahren. Später erfuhren wir, dass wir gegen Mittag den Wachwechsel der Vopos erwischt hatten, und dadurch ohne Kontrolle durch kamen. Jetzt kam eine Zeit des Wartens, denn auf Grund meines Aufenthaltes in Bonn – Beuel  von 1954- 56 musste ich vier Wochen in Berlin zu bringen. Unser Sohn der 1958 geboren wurde  war halb krank, und das Lageressen war nicht so gut für Ihn geeignet. Aber wir haben Ihn mit selbst gekauften Obst usw. gut über die Runden gebracht.
Wir wurden dann in ein anderes Lager gebracht  wo wir mit ca. 18 Personen in einen Zimmer hausten. Auf dem großen Flur einer ehemaligen Polizeikaserne begegnete ich einer Almricher Familie es war H. Müller. Die waren aber am folgenden Tag schon weg. Nun begann für mich eine Zeit der Verhöre bei den Geheimdiensten der Amerikaner, Engländer, Franzosen, und des BND. Ich stellte mich dumm, als wenn ich keine Ahnung hätte, und so war ich bald bei denen durch. Dann kam der 13.August , der uns ganz schön in Angst, und Schrecken versetzte. Was geschieht jetzt mit Westberlin ?. Täglich kamen noch Menschen die den Sprung über die noch nicht fertige Mauer geschafft hatten , teilweise nur mit einer Tasche als Habe. Der Weg in die Freiheit war somit erst mal verbaut. So gingen die 4 Wochen rum, und am 28. August hieß es Abflug nach Frankfurt. Von Tempelhof aus wurden wir in Linienmaschinen zusammen mit normalen Fluggästen mit einer Zweimotorigen Boeing ausgeflogen, und flogen gar nicht weit entfernt über unserer Heimatstadt hinweg. In Frankfurt  angekommen fehlte unser Gepäck, und das kam erst eine Stunde später an. In der Wartezeit sah meine Frau auf ein mal Ihren Cousin der uns abholen wollte, um uns nach Karlsdorf zu meiner dort Wohnenden Schwester zu fahren. Ich musste dann nach Rastatt fahren um den Papierkram zu erledigen. Dann begann die Zeit des Lagerlebens in Bruchsal. Ein Jahr lang hatten wir ein Zimmer mit Bad, und Küchenbenutzung mit noch zwei Familien. Die eine Familie war aus Erfurt, und die andere Familie war aus Zwickau. Wir hatten ein einigermaßen harmonisches zusammenleben mit denen. Wir waren alle glücklich und zufrieden mit den Wohnverhältnissen. Meine Arbeitsstelle war in Karlsdorf, und dahin musste ich anfangs mit dem Fahrrad fahren ,welches wir vom Cousin meiner Frau bekommen hatten. Später hatte ich eine Baustelle in Bruchsal. Nach einem Jahr haben wir uns aus eigenen Antrieb um eine Wohnung bemüht, und wir hatten bald Glück eine zu finden. Drei Zimmer Küche und Bad in einen neu gebauten Haus. Welch ein Fortschritt. Nun begann das Rechnen wegen der Einrichtung der Wohnung. Dabei half uns ein Vertreter, der seine Kunden vorwiegend aus dem Übergangswohnheim hatte. Mit äußerst fairen Raten konnten wir uns komplett einrichten. Ja die ersten Jahre waren etwas hart, aber es hatte sich gelohnt den Schritt in die Freiheit zu wagen. Im Jahre 1965 wurde unsere Tochter geboren, und nun waren wir komplett. Im Jahre 1965 durften wir zum ersten Mal unsere Eltern, und Schwiegereltern besuchen. Die ganze Fahrt mit der Bahn war ein einziges Abenteuer, denn es war an diesen Augusttag sehr heiß, und in Wartha hatten wir 4 Stunden Aufenthalt, niemand durfte den Zug verlassen, und unsere Tochter war erst ein halbes Jahr alt. Dann wurde der Wunsch nach einen Auto reif. Wir kauften uns einen VW- Käfer Baujahr 1958 mit schon großen Heckfenster, aber Bar bezahlt. Nun waren wir etwas flexibler, und konnten im Jahre 1970 den ersten Urlaub in Bayern auf einen Bauernhof verleben. Wir waren drei Familien mit Kindern, und so war es für die Kinder ein besonderes Erlebnis. Im Jahre 1973 durften wir zum ersten Mal mit dem Auto in die DDR einreisen. Zu dieser Zeit hatte ich einen Opel Kadett Coupé, Und bei der Grenzkontrolle sollte ich die hintere Sitzbank weg machen, „ Zum Grenzer sagte ich, dass ich nicht wüsste wie das geht, ruck zuck hatte der das gemacht. „. Es waren jedes mal die Grenzübertritte die schon Nerven gekostet haben. Besonders die Ausreise im Oktober1989 war sehr denkwürdig, denn man sah es den Grenzern an, dass sie sehr verunsichert waren, und zum Teil den Ausreisenden einige Wartestunden verpassten, aus welchen Gründen auch immer. Danach kam der 9.Nov. 1989 der das Reisen vereinfachte. Wir waren dann des öfteren in der nun freien Heimat, wie schön war nun das Reisen ohne Passkontrolle. Auch die Klassentreffen fanden nun unter ganz anderen Voraussetzungen statt.
Danach reihten sich jedes Jahr die Besuche in der alten Heimat aneinander. Beruflich hatte ich es sehr gut getroffen, und konnte in einer Tankbaufirma bis zu meinen Eintritt in den Ruhestand dort arbeiten. Gesundheitlich gab es einige Probleme, aber das gehört zum Leben. 

So hat sich unser Leben durch den Schritt in die Freiheit zwar geändert, aber wir haben durch diesen Schritt unseren Kindern ein Leben in Freiheit, und ohne politische Gängelei ermöglicht. Wir haben aber unsere Heimat immer im Herzen behalten.


                                                                              
                                                                                     Denn Heimat die vergisst man nie.
  R.E